Fett, fetter – deutsch?
Der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes klingt nicht nur streng, er reibt uns alljährlich auch unangenehme – obgleich vermeintliche – Tatsachen unter die Nase. Die hatten bisher allerdings vorwiegend mit den Lebensverhältnissen der Deutschen zu tun, zum Beispiel kriegen wir immer weniger Kinder, leben immer häufiger allein und vereinen immer seltener mehrere Generationen unter einem Dach.
In 2005 hat sich der Mikrozensus nun aber ein neues Spielfeld gesucht: Unsere Leiber. Und die sind den heute veröffentlichen Zahlen zufolge viel zu fett. Fast 60 Prozent der erwachsenen Männer in Deutschland seien übergewichtig, heißt es, weil ihr Bodymassindex (BMI =Gewicht[kg]/(Körpergröße[m] X Körpergröße[m])) die magische Grenze von 25 überschritten hat.
Vor unserem inneren Auge baut sich nun umgehend eine überbordende Masse schwabbelnden Fettes auf. Wie furchtbar! Aber ist das wirklich so furchtbar, bzw. schwabbeln wir Deutschen wirklich nur noch vor uns hin, den Diabetes im Auge, die Gefäße schon völlig verstopft?
Zwei Punkte: Erstens sagt der BMI nicht viel über die Gesundheit eines Menschen aus. Klar, wer 1,80 m groß und 120 Kilo schwer ist, hat wahrscheinlich auch gesundheitliche Probleme. Er hat sie aber nicht zwangsläufig. Was zählt sind der Lebenswandel, wovon man zuviel isst und wie das Fett im Körper verteilt ist. An dieser Stelle sei folgender Eintrag im Ernährungsblog empfohlen. Wer dick, aber sportlich ist, hat deutlich mehr Muskeln und weniger Fett als die berühmte Sofakartoffel. Er kann auch mit einem BMI von 30 vollkommen gesund sein, vor allem, wenn er auf eine gesunde Ernährung achtet – die durchaus auch sehr reichhaltig ausfallen kann.
Zweitens finden wir in den aufgezwirbelten Zahlen immer noch die Mehrheit der Deutschen unterhalb der BMI-Marke von 30, die den Übergang zu krankhafter Fettleibigkeit kennzeichnen soll. Auffällig: Gerade die jüngeren Befragten sind von dem Problem gar nicht so stark betroffen. Im Gegenteil.
Was das Bundesamt für Statistik mit einem “Untergewicht … ist weitaus weniger verbreitet als Übergewicht” abwedelt, ist aus den Zahlen für die jüngeren Teilnehmer nicht abzulesen. Frauen jünger als 20 Jahre sind häufiger zu dünn als (per definitionem) zu dick, soll heißen: Eine 18-Jährige von 1,70 m Körpergröße wiegt eher nur 50 Kilo (oder weniger) als 72 Kilo. Das ist mindestens ebenso bedenklich wie das angeblich so schädliche Übergewicht vieler Deutscher.
Klar ist, dass die Deutschen eine Diskussion brauchen – aber nicht zum Thema Übergewicht, sondern zu den Themen Ernährung und Bewegung. Extrakilos aus gesundheitspolitischen Gründen zu verteufeln ist nicht der richtige Weg, weil die BMI-definierten Extrakilos nicht zwangsläufig krank machen. Und weil Essen wichtig ist – und schön! Überhaupt: Der BMI sollte möglichst bald durch eine Kennziffer abgelöst werden, die heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen eher gerecht wird. Viszerales Bauchfett, Muskelanteil, Kondition, Laborwerte – so wie Alkohol- und Nikotinkonsum. Diese Dinge sagen mehr über die Gesundheit eines Menschen aus, als eine plumpe Masse-pro-Quadratmeter-Zahl.
Auf das Rauchverhalten gehen die Statistiker übrigens auch noch ein. Die Deutschen rauchen weniger, zumindest die Männer. Wie erfreulich. Nur leider rauchen trotzdem noch viel zu viele Menschen, vor allem bei den jüngeren Menschen ist die Tendenz eher steigend – sicher auch, weil die Angst vor dem Dickwerden groß ist.